Karl Hermann Tobler GrĂĽnder des Landerziehungsheim Hof Oberkirch

Hermann Tobler ca. 1898

Hermann Tobler wuchs als ältestes von 13 Kindern in St. Gallen auf. Drei seiner Geschwister starben im Kindesalter, von den übrigen kamen vier ins Waisenhaus, darunter auch Hermann, weil die Eltern sie nicht versorgen konnten. Hier lernte er Pauline Rietmann, seine spätere Gattin, kennen.

Vom Waisenhaus aus durfte Hermann Tobler die technische Abteilung der Kantonsschule besuchen und trat nach der Maturitätsprüfung 1890 in die Lehramtsschule ein. Nachdem er im Frühjahr 1892 das Reallehrerpatent erworben hatte, zog er in die Westschweiz, wo er in La Tour-de-Peilz bei Vevey zwei Jahre lang das Leben und Treiben in einer vornehmen Privatschule mit allen Sorgen und Mühen kennen lernte.
1894 trat er in der Nähe von London eine neue Stelle als Internatsleiter an. Jedoch vermisste er das hohe geistige Leben, das Zusammenleben mit der Natur, auch bekundete er Mühe mit dem dortigen Schulsystem. Dennoch schreibt er an seinen Freund, Hermann Fels: „An der Erziehung finde ich immer mehr Freude, das ist zweifellos mein Gebiet …“
1899 kehrte er in die Schweiz zurück, wo er für mehrere Jahre als Lehrer und später als Leiter des Schülerhauses in St. Gallen tätig war. Im August 1899 heiratete er Pauline Rietmann.

Nachdem während Jahren in Tobler der Entschluss zur Schaffung einer eigenen Schule gereift war, suchte er nach einem geeigneten Haus. Schliesslich führte ihn sein Weg nach Kaltbrunn, denn er hatte gehört, dass in Oberkirch ein altes Pfarr- und Pfrundhaus zu verkaufen war.
1906 erwarb Hermann Tobler die Liegenschaft und eröffnete im Frühling 1907 ein „Landerziehungsheim“.

„Wir haben durch die Kriegszeit gelernt, noch deutlicher als bisher zwischen dem Wesentlichen und Unwesentlichen in der Erziehung zu unterscheiden. Wesentlich ist die Gewöhnung an ein gesundes, tätiges Leben, die Selbsthilfe und die Solidarität, die Weckung der persönlichen Kräfte in Körper und Geist; unwesentlich sind das Auswendiglernen, die Nachahmung, das grosse Pensum, das Allesgehabthaben in der Schule …“
H. Tobler, Hof Zeitung Nr. 10

Hermann und Pauline Tobler-Rietmann mit ihren drei Kindern Paul, Erich und Gertrud

Pauline Tobler - Rietmann war die treue Helferin ihres Gatten. Als Hausmutter sorgte sie für die vielen Kleinigkeiten der Buben im grossen Haus, leitete Haus- und Küchenpersonal und pflegte die Kranken. Bis 1942 lebte sie nach dem Tod ihres Mannes noch auf dem Hof, dann fand sie im Altersheim der Ortsgemeinde St. Gallen einen ruhigen Platz für ihren Lebens­abend.
Hans Séquin widmete in der Hof Zeitung Nr. 56 der Arbeit von Frau Tobler folgende Worte: „Ich möchte von Frau Tobler sprechen. (…) Ohne Aufsehen und ohne viel Worte hat Frau Tobler (…) 25 Jahre lang eine Leistung vollbracht, in die sich an anderen Instituten drei Leute teilen. Allerdings mit dem Unterschied, dass sie wie eine sorgliche Hausfrau nicht nur mit dem Kopf, sondern auch mit dem Herzen bei der Sache war; sie hat nicht nur „dirigiert“, sie hat mitgelebt durch gute und schwere Zeiten.
Wie wäre es wohl um den Hof gestanden, wenn Frau Tobler nicht mit unermüdlicher Tatkraft für ihn gesorgt hätte? Denken Sie an die Kriegsjahre! Wie wäre es wohl mit dem Hof in ideeller Hinsicht gestanden, wenn Herr Tobler nicht, in grossem Masse entlastet und befreit von vielen Lästigkeiten des Alltags, seine ganze Kraft für sein Werk hätte einsetzen können? …“
Hof Zeitung Nr. 56

Ein Blick in den damaligen Ausstellungsraum

Zur sozialen Erziehung äusserte sich Hermann Tobler wie folgt:
Manchem Bedrängten, manchem Verlassenen, Invaliden, Kranken, Alten könnte durch die Mitwirkung der Schule geholfen werden. Kein Kind dürfte aufwachsen, ohne dass es arme Familien, das Waisenhaus, das Armenhaus, das Krankenhaus usw. aus eigener Anschauung kennen gelernt hätte. - … Auch das Helfen, Geben und Verzichten will in jungen Jahren geübt sein …
Hof Zeitung Nr. 127

Seit den 20er Jahren wurden Hermann Toblers unermüdliche Tätigkeiten rund um sein Landerziehungsheim immer wieder einmal von Krankheitsschüben unterbrochen. Vom Herbst 1931 an weilte er meist in Spitälern und Kliniken oder bei Dr. Hermann Fels, für den die Erkenntnis der Hoffnungslosigkeit der Krankheit seines Freunds (Darmkrebs) ein schwerer Schlag war. Tobler entschuldigte sich bei den Eltern der Schüler, dass er die Führung des Hofs aus gesundheitlichen Gründen nur teilweise in den Händen hatte. Sein Sohn, Erich Tobler, trat an die Stelle des Vaters und übernahm die Leitung. Nach einer langen und schmerzvollen Leidenszeit starb Hermann Tobler am 5. Januar 1933.
Vgl. Karl Hermann Tobler, Dr. Fritz Schwarzenbach